SOLIDARITÄT // SOLIDARITY // солидарность als Gegenwartsprinzip
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Hans-Thies Lehmann schreibt in Tragödie und dramatisches Theater über den Begriff des Tragischen in der Alltagssprache: „Bei aller Spannbreite des Begriffs gehört jedenfalls eine Leidenserfahrung dazu. Kein Tragisches ohne ’schweres Leid’, das schon Aristoteles bei der Tragödie für konstitutiv erklärt.“ So befinden wir uns in wahrlich tragischen Zeiten, sowohl auf der Bühne, wie auch im „Zuschauerraum“.
Nicht nur das Ernst Deutsch Theater hat sich während des plattform Festivals dem Thema „Gegenwart“ gewidmet, sondern viele Theater und Kinder und Jugendliche sind tagespolitisch so hochsensibilisiert wie noch nie: Von der Pandemie-Situation in ein Kriegsszenario, konstant begleitet von einer Klimakatastrophe, auf die wir zusteuern. Das alles klingt wohl eher nach Tragödien, die auf den großen und kleinen Bühnen der Welt spielen sollten, aber leider bewegen wir uns in einem weniger fiktionalen, dafür umso realeren Raum.

Der Psychotherapeut Christoph Treubel beschäftigt sich mit der aktuellen Lage, klärt auf, welche kindlichen Ängste es gibt, und bietet Hilfestellung, wie man mit Kindern über den Krieg reden kann. Der Krieg und vor allem die räumliche Nähe bedient viele der kindlichen Urängste (Angst vor unheimlichen Bedrohungen, Trennungsängste, Ängste vor dem Tod) und forciert das Gefühl des Kontrollverlusts. Er rät dazu verlässliche Gesprächspartner:innen zu sein, die Kinder und Jugendlichen aktiv anzusprechen, zu „entkatastrophisieren“ und die Sorgen einzugrenzen. Wichtig ist aber auch, angenehme Aktivitäten weiterhin einzuplanen und durchzuführen, damit sich die Kinder und Jugendlichen nicht 24/7 mit Krieg beschäftigen.

Für ein junges Publikum erklärt der Diplom-Psychologe Umut Özdemir (umut_oezdemir) auf TikTok das Phänomen „Doomsday Scrolling“, empfiehlt hier deutlich, sich nicht den ganzen Tag mit den „Horrornachrichten“ zu beschäftigen, und verrät uns seine Tipps, wie man es schafft, das Handy weg zu legen. Um den Ängsten nicht freien Lauf zu lassen und dem Gehirn eine Pause zu gönnen braucht man etwas, was die Hände und/oder den Kopf beschäftigt, z.B. Abwaschen, Brot backen, (alte) Serien anschauen etc.

Dr. Sonja Preissing – Professorin für Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften – sprach in ihrem Vortrag „Die Situation von Kindern in der Covid-19 Pandemie. Kindheitsbilder und Kinderräume in der Krise?“ davon, aktuelle Themen in der Theaterarbeit aufzugreifen, partizipative Konzepte in der Kulturellen Bildung zu etablieren, Kindern einen Aktions- und Reflexionsraum zu ermöglichen und die Kooperationen mit (sozialen) Einrichtungen zu stärken.

So ist das Theater, der Theaterunterricht und der künstlerisch-ästhetische Kreationsprozess in dieser Hinsicht sicherlich eine ideale Lösungsstrategie, ohne psychologisierend zu werden. Ich muss diese Tage auf jeden Fall immer wieder an die Inszenierung von „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ (Anne Bader) des Jungen Schauspielhauses denken und werde Jane Tellers Buch mal wieder aus dem Regal kramen. Hier kann man sich die Materialmappe zum Stück von Nicole Dietz herunterladen.

Deutsches SchauSpielHaus: o7.o3.22 // Solidaritätsveranstaltung: #StandWithUkraine

Thalia Theater: Unser Mitgefühl gehört den Opfern, unsere Sorge dem Frieden und der Freiheit!

EDT: „Der Deutsche Bühnenverein steht solidarisch zu all jenen, die weiter fest an die Möglichkeiten eines vielfältigen und friedlichen Miteinanders, an die Kraft der Kunst und die befriedende Wirkung der Kultur glauben und die jetzt dafür streiten müssen. In der Ukraine aber auch in der russischen Zivilgesellschaft.“ (Carsten Brosda)

[k]ampnagel: #STOPTHEWAR #TOGETHER

k3: NIE WIEDER KRIEG

Lichthof Theater: #STANDWITHUKRAINE

Staatsoper Hamburg: Die russische Armee ist in die Ukraine einmarschiert; wir verurteilen diesen Gewaltakt aufs schärfste; unsere Solidarität gilt der angegriffenen Bevölkerung und wir schließen uns dem Statement des Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins an.

… und viele weitere Solidaritätsbekundungen.

Wenn man den schwierigen Situationen, die wir durchleben, eine positive Seite abgewinnen kann, dann die der Solidarisierung, der Einigung und der Relevanz des künstlerischen Schaffens sowie der Kunstfreiheit. Umso wichtiger ist die Arbeit von und mit den Kindern und Jugendlichen, um weiter Empathie zu schulen.

„Eine Erweckung zur Liebe kann nur stattfinden, wenn wir uns von den Vorstellungen von Macht und Dominanz lossagen, von denen wir förmlich besessen sind. Sämtliche Bereiche des (…) Lebens – Politik, Religion, Arbeit, Familie, Beziehungen – könnten und sollten sich kulturell betrachtet auf eine Ethik der Liebe stützen.“ (bell hooks, Alles über Liebe. Neue Sichtweisen)

Vertiefende Lektüre: https://psychotherapie-treubel.de/mit-kindern-ueber-den-krieg-reden
Weitere Hintergrundinformation wurde von Mara Sommerhoff und Christoph Berens aus dem Li im Newsletter zum Krieg in der Ukraine zusammengestellt.

Text und Foto: Stefan Valdes Tittel