Junges Schauspielhaus und Schule Forsmannstraße
„Ich finde es ungerecht, dass es bei den Theaterproben so wenig Pausen gab“. So äußerte sich Viertklässler Tim in dem Theaterstück zum Thema „Gerechtigkeit“, das seine Klasse mit der Theaterpädagogin Marie Petzold vom Deutschen Schauspielhaus in fünf Probentagen erarbeitet hat. Pausen gab es objektiv gesehen bestimmt genug, aber speziell Ungerechtigkeit ist eben ein Gefühl, das sich oft sehr schnell (manchmal auch zu Unrecht) einstellt. Was der eine als ungerecht empfindet, ist für den anderen eher gerecht. Konflikte, Streitigkeiten, Auseinandersetzungen sind oft vorprogrammiert – in der Familie, in der Schule, in der Gesellschaft und in der Politik – vor allem im Alltag der Schüler:innen: ideales Material für eine lustvolle szenische Bearbeitung.
Und so bekam man als Zuschauer:in Ende Februar im Goldbekhaus in vier aufeinanderfolgenden kurzen Aufführungen am Mittag reiches Anschauungsmaterial zum brisanten Thema und erfuhr, in welchen Situationen Pulverfässer bereitliegen, wie Lunten gelegt werden, um in die Luft zu gehen, und wie leicht eine verbale Auseinandersetzung in physische Gewalt umschlagen kann. Das Thema bot sich übrigens auch an, weil alle Viertklässler „Robin Hood“ im Schauspielhaus gesehen hatten, die historische Figur eines Vorkämpfers für soziale Gerechtigkeit, der den Reichen nimmt und den Armen gibt.
Alle vier 4. Klassen der Grundschule Forsmannstraße haben sich auf sehr unterschiedliche Weise mit diesem Thema auseinandergesetzt. Zunächst wurden viele Ungerechtigkeiten des Lebens benannt und dargestellt: alltägliche („Mein großer Bruder durfte ins Kino, ich nicht!) und globale („Es ist ungerecht, dass viele Menschen auf der Welt hungern müssen“). Die Kinder sind aber auch zu dem Schluss gekommen, dass Gerechtigkeit machbar ist, wenn man sich selbst dafür einsetzt. Die Vorschläge zur „Verbannung der Ungerechtigkeit“ waren kreativ und vielfältig: eine Pistole, aus der viele Herzen geschossen werden, eine Maschine, die Wünsche erfüllt, oder ein Präsident, der alle vor Unrecht schützt. Auch eine „Professorin Justitia“ trat auf die Bühne. Die Klasse 4a inszenierte eine „Gerechtigkeitskonferenz“, die Klasse 4c stellte Überlegungen an, ob man wirklich alles gerecht teilen kann – und kam zu dem Schluss, dass es vielleicht doch nicht so gut ist, wenn Lebenszeit gleichmäßig verteilt wird. Denn sollte wirklich jede:r schon von Geburt an wissen, dass er mindestens 81 Jahre alt werden wird (geschätztes Durchschnittsalter im Jahr 2060)?
Und jede Klasse überzeugte durch ihre eigene ästhetische Gestalt für die unterschiedlich gewählten Schwerpunkte des Themas, sodass sich die collagierten Szenen einzelner bzw. mehrerer Spieler:innen ständig mit Szenen der gesamten Gruppe elegant und abwechslungsreich ablösten. Neben Marie Petzold waren auch noch die Theaterpädagog:innen Frederic Lilje, Stefanje Meyer und Tanja Frank unterstützend am Gesamtprojekt beteiligt. Die Lehrkräfte waren Susanne Templin (4a), Cornelia Gundlach (4b), Svenja Zinßer (4c) und Simon Bower (4d).
Fotos: Gunter Mieruch, Birgit Menz