Françoise Hüsges und das monsun.theater

Wenn man bei dem Namen Françoise Hüsges instinktiv an eine französische Herkunft denkt, sieht sich getäuscht. „Der Name ist halb Attrappe“, sagt sie, die als Tochter einer Deutschen und eines Türken in Wuppertal geboren wurde und in Mönchengladbach aufgewachsen ist. Und der Nachname Hüsges ist niederrheinisch und bedeutet „kleines Haus“.

Hüsges hat in Köln Mathe und Philosophie studiert und ist dann über Berlin (als Bühnenbild- und Regie-Assistentin am Maxim-Gorki-Theater) mit ihrem Mann (Filmeditor beim NDR) nach Hamburg gekommen. Bereits 2003 hat sie am monsun.theater ihre erste durch die Kulturbehörde geförderte Regiearbeit (damals Eigenproduktion) „Ich werde falsche Angaben machen“ von Katrin Heinau inszeniert und war somit seit jeher bereits dem monsun.theater verbunden. Von 2008 bis 2013 hat sie in Stockholm gelebt und dort am Dramaten und Stadsteatern gearbeitet. Nach ihrer Rückkehr hat sie mit St. Petersburg und Skåne Malmö interkulturelle Projekte angeschoben. Seit 2012 erarbeitet sie regelmäßig Stücke für und mit Jugendlichen am monsun.theater. U.a. unterrichtet sie jedes Jahr rund 150 Kinder und Jugendliche im Fach Theater am Gymnasium Othmarschen und entwickelt gemeinsam mit ihnen Produktionen, die der Öffentlichkeit auf der monsun.Bühne präsentiert werden.

Françoise Hüsges legt in ihrer Arbeit besonderen Wert auf die Vernetzung mit verschiedenen Künstler:innen und anderen kulturellen Institutionen – insbesondere bei internationalen Projekten mit Jugendlichen. Ein Beispiel, über die Produktion „Weit weit weg … Loin Trés Loin“ schrieb RP-Online im August 2015: „Françoise Hüsges (40) hat eine eher seltene Gabe: Wo andere nur verschlossene Türen sehen, sieht sie diese weit offen. Als ihr jüngst die Intendanz des Monsun Theaters angetragen wurde, reiste sie in diesem Sommer, vor Beginn der Spielzeit 2015/16, mit der Theatertruppe des … Off-Theaters Hamburgs und dem Tänzer Ahmed Soura in dessen Heimatland, das westafrikanische Burkina Faso mit der Hauptstadt Ouagadougou. ‚Mich hat der Kulturkreis interessiert – ich wollte mir ein eigenes Bild machen. Das Land hat eine reiche Musik- und Tanztradition’, sagt Hüsges.“

Das dortige Kooperationsensemble eines Kulturzentrums arbeitete im Februar 2016 in Hamburg mit an dem gemeinsamen Projekt. Es geht zurück auf die Idee des vom legendären Regisseur Christoph Schlingensief initiierten Operndorfes nahe Ouadagougou. Françoise Hüsges: „An der Volksbühne in Berlin habe ich damals bei Schlingensiefs Projekt ,Wahlkampf 2000‘ mitgearbeitet und dann mit großem Interesse die Operndorf-Aktivitäten verfolgt, die seine Frau Aino jetzt fortführt.“ Hüsges konnte zwar keine direkten Ansprechpartner für das Projekt im Operndorf gewinnen, dafür aber im Norden Kontakte knüpfen und auch dort gastieren. Sie steht zurzeit mit einem Simultanprojekt („Spiel auf zwei Bühnen in zwei Ländern zur selben Zeit“) an der Eröffnung der internationalen Kulturstätte Yongonlon (Von einander lernen) in Banfora im Süden des Landes in Planung. Dortiger Kooperationspartner ist wieder Ahmed Soura, der ständig zwischen den Kontinenten pendelt und mit dem Theater- und Bildungszentrum einen Traum in seiner Geburtsstadt verwirklicht.

Erlebt man Françoise Hüsges im Gespräch, sprüht sie vor Ideen und infiziert einen förmlich mit ihrer Leidenschaft für ein Grenzen überschreitendes Theater. Diese Umtriebigkeit und Vernetzungskompetenz muss die ehemalige Intendantin Ulrike von Kieseritzky sofort bei ihrer Mitarbeiterin gespürt haben. Denn folgerichtig hat sie ihr, die zuvor drei Jahre lang ihre rechte Hand in Ottensen gewesen ist, nach 18 Jahren die Leitung des monsun.theaters übertragen. Hüsges hat eine Tochter (19) und einen Sohn (18).

 

monsun.theater

ist das älteste Off-Theater Hamburgs. Es existiert seit 1980 und liegt in Ottensen. Bis in die 1970er-Jahre dienten die Räumlichkeiten der Firma Kühne als Senflager. 2005 wurden das Foyer und der Theatersaal neu gestaltet. Mit seinen 100 Plätzen bietet es Künstler:innen der regionalen und überregionalen freien Szene einen Spielort für Tanz-, Sprechtheater und Performance. Schwerpunkte sind Nachwuchsförderung und Vernetzung und Koproduktion im internationalen Kontext, basierend auf der genreübergreifenden Erforschung neuer Ästhetiken.

Mehrere Male ist das Theater mit dem Hamburger Theaterpreis Rolf Mares ausgezeichnet worden, zuletzt für die Produktion „Wenn wir tanzen, summt die Welt“. Ein berührendes Spiel über die Würde des Alterns in der Inszenierung von Cora Sachs nach einer Vorlage von Dita Zipfel & Finn-Ole Heinrich. Dieselbe Regisseurin realisiert erneut eine Eigenproduktion des Theaters: „Das Hirn ist ein Taubenschlag“. Autor:innen sind wiederum Dita Zipfel & Finn-Ole Heinrich. Premiere ist der 20.März.  http://www.monsun.theater/programm/2019/schauspiel/das_hirn_ist_ein_taubenschlag.html

Die öffentliche Förderung beträgt aktuell 103.000 Euro pro Spielzeit (dies sind rund ein Drittel der Gesamtausgaben). Mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 haben Senat und Bürgerschaft im Januar die Erhöhung der Privattheaterförderung um rund 1,8 Millionen Euro sowie einen jährlichen Anstieg der Förderung um jeweils 1,5 Prozent beschlossen. Insofern sollen die Privatbühnen deutlich mehr Planungssicherheit erhalten. Auch das monsun.theater profitiert davon. Dessen Etat wird zusätzlich ab der nächsten Spielzeit um immerhin 30.000 Euro aufgestockt.

Weitere Finanzierungsquellen sind Förderungen einzelner Projekte durch die Kulturbehörde und Stiftungen. Auch Minimierung der Kosten durch Kooperationen mit anderen Privattheatern wie dem Theater unterm Dach in Berlin. Ab kommenden August wird das Theater barrierefrei umgebaut. Dafür hat Françoise Hüsges lange gekämpft. Sie hofft, dass die Bautätigkeiten nach einem Jahr abgeschlossen sind, sodass dann die übernächste Spielzeit rechtzeitig feierlich gestartet werden kann, und zwar als 25. Jubiläum seit der Neugestaltung 2005.

Die Intendantin möchte ihre Kompetenzen, vor allem ihr Wissen und ihre Erfahrungen über die beiden Seiten des Theaters – Produktion und Verwaltung – , gern in die neue TUSCH Partnerschaft(en) mit einbringen. Beratend möchte sie den Fokus auch auf Bühnenbildgestaltung entlang vorhandener Ressourcen legen. Ihr Motto dabei ist: „Jedes Thema hat seine Ästhetik“. Ein Theater wie das monsun.theater kann dabei schneller als große Theater auf Wünsche reagieren, Entscheidungen treffen. Es ist näher an den Produzenten dran aufgrund seiner flachen Hierarchie. Ihr Wunsch an interessierte Partnerschulen (übrigens aus allen Schulformen oder -stufen unter der Voraussetzung, dass die schulische Begleitung/Betreuung hinreichend gesichert ist) ist, dass sie sich offen zeigen und Barrieren aufbrechen. Dass z.B. mehrere Fachschaften zusammenarbeiten, um durch eine gemeinsame künstlerische Tätigkeit Konkurrenzen abzubauen.

Fotos: Françoise Hüsges, monsun.theater