regional
LICHTHOF Theater Hamburg
Das neue Kunstmedium am LICHTHOF Theater: die Zoom-Konferenz
Als die Türen der Kooperation geschlossen werden mussten, waren die Partner:innen erst einmal ziemlich ratlos – wie wahrscheinlich alle. Aber dann öffnete die verschlossene Tür zur Theaterbühne den Weg zur digitalen Bühne, dem #lichthof_lab. Dies hat als Idee schon länger in den Köpfen geschwirrt. Künstler:innen waren und sind auch weiterhin dazu eingeladen, sich an einer neuen und digitalen Ästhetik zu versuchen. Jetzt, wo die Theater wieder spielen können, besteht diese Plattform weiter und ergänzt – mittlerweile auch durch professionelle Live-Streams – den Spielplan.
Eine Arbeit, über die Sören Ingwersen in der Deutschen Bühne Online schreibt: „Ein sehr geglücktes Experiment, bei dem neben der Erprobung neuer technischer und theatraler Möglichkeiten auch die gute alte Schauspielkunst nicht zu kurz kommt …“. (https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/die-folgen-der-zwangsvereinzelung)
Es handelt sich um „Enter Hamlet – Ein digitales Familiendrama“ von den AZUBIS. Kai Fischer und Christopher Weiß haben den Klassiker Hamlet in den virtuellen Raum verlegt, und das Publikum verfolgt das Erzähl- und Projekttheater zwischen Trash und Poesie über das neue Kunstmedium: die Zoom-Konferenz. Mit dem Stück reagierten die AZUBIS auf die aktuelle Situation, auf Isolation und Überforderung in den Familien während des Lockdowns, auf häusliche Gewalt und die Konjunktur der Videokonferenzen.
(Eva Glitsch)
überregional
Junges Deutsches Theater Berlin
Intuitiv besser werden – ein immersives Theaterformat im LABYRINTH
Hygiene, Kontrolle, Reinheit. Lautes Lachen. Der letzte Dreck muss weg. Erneutes Lachen. Ich lege währenddessen meinen Profilnamen fest: PrilBella. Ich bin für 90 Minuten Gast in einem Panoptikum der Jungen Spielgruppe des Deutschen Theaters Berlin. Mein Rechner zu Hause eröffnet mir gleich zu Beginn ein Labyrinth aus diversen Kursprogrammen.
Die Expert:innen des interaktiven Kursprogramms sind Götter und mythische Figuren. Mein erster, selbstgewählter Kursleiter Minos schwärmt bereits weiter von seinen Putzkünsten im ganzen Land. Der Chat läuft an. Zustimmung bei den Teilnehmer:innen. Minos ist mir sympathisch und animiert uns ihn anzurufen, um mit ihm einen Liebesbrief an Pasiphae zu verfassen. Mit Erfolg, wie sich gegen Ende der immersiven Produktion „Metamorphos*in“ zeigt.
Das Verflechten von Geschichten, die Brüche zwischen der Realität und dem Mythos machen die Magie dieser sehr gelungenen digitalen Produktion aus. Die Beteiligungsformen Chat, Telefon werden intensiv genutzt. Ich erfahre zum ersten Mal eindrucksvoll, dass digitales Theater auch ein körperliches Erleben bedeuten kann. Mein Profilname verrät mich nicht, ich schlüpfe auch in eine Figurenrolle und gestalte das Geschehen live mit – pure Spielfreude auf beiden Seiten. Bereits die CEOs des LABYRINTHS versprechen, dass das Programm kein Irrgarten sei und alle Wege zum Ziel führen: das Fortbildungsprogramm als Abbild einer kleinen Gesellschaft.
Die Gruppe, die von Lasse Scheiba und Zoe Karina Lohmann angeleitet wurde, hat ihre Proben vor dem Lockdown im Dezember begonnen und war dann ab März digital unterwegs. Der dreimonatige Probenprozess fand weitgehend via Zoom statt. Es wurde in Teilen einzeln intensiv mit den Darsteller:innen gearbeitet und im Verlauf der Einzelarbeit ein halbstündiger Chat innerhalb der Gruppe freigegeben. Der Umgang mit der Ko-Präsenz der Teilnehmer:innen war zunächst herausfordernd und auch die Tatsache, dass die zuschauenden Mitdarsteller:innen fiktive Profilnamen wählen konnten. Der Prozess hat auch gezeigt: Parameter des Theaters fallen weg und die Möglichkeiten, neue (Spiel-)Räume auszuloten, bieten für alle Beteiligten einen Reiz.
Das Entdecken von neuen Probenformaten wurde zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer aktuellen Arbeit. So haben alle beteiligten Spieler:innen zunächst mit ihrem Rechner zu Hause und später auch live aus den eingerichteten Garderobenräumen gestreamt. Das ungewöhnliche Experiment ist dem Team geglückt. Die Liebe und der Mut zu Impro, Kostüm, Bühnenbild und die Qualität der einzelnen Figurenrolle finden sich in der 90-minütigen immersiven Performance wieder. Eine Dokumentation vom „Metamorphos:in“ kann hier besucht werden:
https://www.youtube.com/watch?v=u5B8LevvfWM&feature=youtu.be
(Celina Rahman)
Foto: Arno Declair
Figurentheater Chemnitz und ASA-FF e.V.
Wandertag im Weltraum – ein digitales Klassenzimmerstück
Mit dem ersten digitalen Klassenzimmerstück Wandertag im Weltraum zündet das Figurentheater Chemnitz die letzte Raketenstufe dieser Spielzeit. Live-gestreamt und interaktiv bringt das Figurentheater dieses Theatererlebnis in die Klassenzimmer und entführt die Schülerinnen und Schüler in die Weiten des Weltraums. Auf ihrer Expedition treten sie mit Aliens, Astronautinnen und glibbergrünen Planetenwelten in Kontakt. Zusammen mit einem Außerirdischen aus einer fernen Galaxie machen sie sich auf den Weg zur Erde. Dort will der Außerirdische seine alten Freunde, die Mammuts, besuchen. Doch seit dem letzten Treffen hat sich auf dem blauen Planeten einiges getan und nach einer Stippvisite auf der internationalen Raumstation ISS ist klar: Es gibt Probleme. – Kann der außerirdische Gast den Menschen helfen?
Wandertag im Weltraum wirft als Live-Onlinestück für Kinder einen Blick von außen auf die Welt und stellt spielerisch Fragen zu den großen Themen unserer Zeit. „Mit einem vollkommen neuartigen Ansatz beziehen wir die Schülerinnen und Schüler während des Streams aktiv mit ein und beteiligen sie am Stück“, sagt Gundula Hofmann, Direktorin des Figurentheaters Chemnitz, über die Produktion. „Wir können hier verschiedene Gruppen miteinander ins Gespräch bringen, wenn zwei verschiedene Klassen aus unterschiedlichen Orten in der gleichen Vorstellung sitzen. Das ist eine Form ortsunabhängigen Lernens, das wir mit diesem Projekt testen wollen.“
Durch die Live-Expedition führen der Puppenspieler Tobias Eisenkrämer und seine Kolleginnen Claudia Acker und Mona Krueger in der Regie von Christian Claas. Das digitale Abenteuer richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen vier bis sechs und bezieht sie aktiv mit ein. Inhaltlich orientiert sich die Produktion an den Lehrplänen in Sachsen.
(Pressemitteilung PRESSESTELLE | Städtische Theater Chemnitz gGmbH vom 11. Juni 2020)
Pressestimmen zum digitalen Klassenzimmerstück
Wie modern ein Theater agiert, wird in der Corona-Krise gern daran bemessen, inwiefern es einen Teil seines Programms über das Internet zu zeigen versteht. „Virtuelle Bühne“ ist das Stichwort der Stunde: Online soll die Verbindung zum Publikum nicht abreißen. Doch abgesehen davon, dass dabei meist nur der eklatante technische wie handwerkliche Vorsprung der Youtube-Gemeinde bei der digitalen Aufarbeitung von Inhalten zutage tritt: Kreativ eingebunden wird das neue Medium dabei fast nie – man zeigt quasi online ein eher schattenhaftes Abbild der Offline-Theaterwelt und bündelt dabei ungewollt bestenfalls die Nachteile beider Welten.
Das Figurentheater Chemnitz dagegen zeigt mit der Uraufführung von „Wandertag im Weltraum“ …, wie man stattdessen die Vorteile von Bühne und Netz fruchtbar zusammenschalten kann: Als eines der ersten Ensembles in Deutschland hat man ein interaktives Stück für Schulklassen entwickelt, das tatsächlich auf einer virtuellen Bühne im Internet stattfindet und dabei die Zuschauer interaktiv einbinden kann – räumlich sind dabei alle Akteure und die Zuschauer getrennt. (Tim Hofmann: Und wo ist jetzt das Mammut? In: Freie Presse Chemnitz, Kultur & Service, S A1, 16.9.2010)
Inhaltlich greift „Der Wandertag im Weltraum“ die großen Fragen unserer Zeit auf: So thematisiert das Stück unter anderem die Abholzung des Regenwaldes für den Anbau von Palmöl und die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll. Das Fazit des Außerirdischen nach rund 60 Minuten ist ernüchternd: „So habe ich mir das nicht vorgestellt auf der Erde“, meint L.A.I.K. und will in 1000 Jahren wiederkommen, um zu sehen, ob die Menschheit ihre Probleme in den Griff bekommen hat. (Virtueller Schulausflug: Mit dem Theater ins Weltall fliegen.
(Süddeutsche Zeitung vom 16.9.2020)