Das Junge SchauSpielHaus zieht zur Spielzeit 2021/2022 in ein neues Theatergebäude am Wiesendamm in Barmbek. Auf der Baustelle werden gerade die letzten Arbeiten vorgenommen. Das neue Theater, mit zwei Bühnen, Proberäumen, einem schönen, großen Foyer, Büros und Lagerräumen, nimmt Gestalt an.
Die Ensemblemitglieder hatten die Gelegenheit die Baustelle zu erkunden, um sich ein paar erste Eindrücke zu verschaffen. Das macht Lust auf die Theatersaison im Herbst.
Im Folgenden geben wir den Text eines Interviews wieder, das die Dramaturgin Stanislava Jević mit dem künstlerischen Leiter Klaus Schumacher zum neuen Theatergebäude des Jungen SchauSpielHauses am Wiesendamm in Barmbek geführt hat. (s. auch https://schauspielhaus.de/de_DE/wiesendamm)
„Damit können wir punkten: mit Präsenz, Direktheit, Dialog im Raum und Physis“
Das Junge SchauSpielHaus wird im September 2021 ein neues Theater am Wiesendamm in Barmbek, an der Grenze zu Winterhude, eröffnen. Wie wird das neue Theatergebäude aussehen?
Das neue Haus am Wiesendamm umfasst alles, was es für einen Theaterbetrieb in unserer Größenordnung braucht: Es wird zwei Bühnen geben, einen Saal für 190 und ein Studio für 80 Zuschauer*innen. Entsprechend dazu werden zwei Probebühnen eingerichtet. Es gibt ein großes Lager, direkt hinter der Hauptbühne. Das ist ein Riesenfortschritt, wenn man bedenkt, dass unsere Bühnenbilder bisher quer durch Hamburg – vom Lager zum Theater und zurück – transportiert wurden. Es gibt für alle Mitarbeiter*innen ausreichend Räume, die direkt miteinander verbunden sind. Obwohl wir endlich alle viel Platz haben werden, sind wir viel dichter beieinander, was die Teamarbeit verschönert und intensiviert. Es gibt ein tolles, großes Foyer, das hoffentlich ein Treffpunkt für viele Aktivitäten sein wird. Unsere Bühnenbildnerin Katrin Plötzky, die schon so viele inspirierende Bühnenbilder für uns entworfen hat, ist, neben der gesamten Farbgestaltung, auch für die Gestaltung des Foyers verantwortlich – und man darf wirklich sehr gespannt sein! Hier im Publikumsbereich sieht man noch sehr viel von der Geschichte des Gebäudes, denn das Theater ist ja in ein Bestandsgebäude mit langer Nutzungsgeschichte hineingebaut worden, wenngleich man sagen muss, dass die Theatersäle und die Ausstattung neu sind.
Kannst du uns schon ein bisschen verraten, inwiefern sich das Programm verändert?
Das Junge SchauSpielHaus hat bis hierhin eine wunderbare Geschichte und sein Profil entsteht vor allem aus einem hochkarätigen Ensemble und künstlerischen Teams, die auf sehr hohem Niveau Stücke für verschiedene Altersklassen erarbeiten und spielen. Im neuen Haus soll u.a. ein Bereich hinzukommen, der vor allem jungen Menschen eine eigene Bühne bieten soll. Hier gibt es verschiedene Angebote, die von spannenden, professionellen Künstler*innen betreut werden. Dieser partizipative Bereich wird auch unser Repertoire mitbestimmen. Ein erstes Projekt darf ich schon verraten, da wir ab sofort junge Menschen zwischen 14 und 21 Jahren suchen, die mitmachen wollen: Unter der Leitung des Choreographen und Tänzers Tom Bünger entsteht eine Produktion mit Jugendlichen, die sich mit Fragen der Identität, Familie und Herkunft auseinandersetzt. Weitere Infos hierzu findet man auf unserer Webseite. Außerdem suchen wir aktiv nach Möglichkeiten, unsere Nachbarschaft zur Theaterakademie zu einer für beide Seiten gewinnbringenden Konstellation zu machen. Genaueres erzählen wir bald …
Was erwartest du dir von dem neuen Standort und der neuen Nachbarschaft?
Das Junge SchauSpielHaus wurde bisher an jedem seiner Standorte von einem Publikum aus ganz Hamburg und Umgebung angesteuert. Das soll auch unbedingt so bleiben. Trotzdem kann man sagen, dass ein Theater natürlich einen starken Bezug zu seinem direkten Umfeld braucht und regional wirkt. Schließlich funktioniert es (bald wieder) vor allem analog. Hier ist der neue Standort eigentlich ideal, weil im direkten Umfeld eine große Schul- und Familiendichte zu finden ist. Barmbek erlebe ich als einen Stadtteil im Aufbruch. Die Menschen leben sehr gerne hier, gerade weil die Stadt sich hier verändert. Wir hoffen natürlich, dass die Schulen im Umfeld unser Angebot nutzen und erste Partnerschaften sind schon geknüpft.
Wir hoffen auch, dass wir zu den spannenden Institutionen in der Nachbarschaft, wie dem Museum der Arbeit, der Zinnschmelze, dem Puppentheater oder auch der Wiese AG ein inspirierendes und gewinnbringendes Verhältnis knüpfen können. Es gab erste Treffen, die ich sehr schön fand. Ich glaube, das könnte hier auch im Zusammenspiel mit der Hochschule für Musik und Theater ein richtiger Hotspot in Sachen Theater und Kultur für Hamburg werden.
Corona verunmöglicht gerade vieles. Warum braucht eine Stadt wie Hamburg ein großes Theater für junges Publikum?
Gerade in einer Zeit der Beschränkungen stellen wir fest, wie wichtig andere Erfahrungsräume für junge Menschen und für uns alle sind. Auf der Bühne gibt es im besten Fall Figuren, die Alternativen zur eigenen Perspektive anbieten. Das weitet den Blick, macht klüger, freier und toleranter, um es mit wenigen Worten zu sagen. Es braucht Orte und Institutionen, die junge Lebenswelten thematisieren, großen gesellschaftlichen und persönlichen Fragen Raum geben und von schönen Ermächtigungen erzählen, die uns Impulse für das eigene Handeln geben. Es wird höchste Zeit, dass auch eine Stadt wie Hamburg hierfür einen Ort schafft, der ein angemessenes Angebot machen kann. Gerade in Zeiten der digitalen Revolution, braucht es Kunst- und Kulturorte, bei denen unsere physische Präsenz eine wichtige Rolle spielt und wir gemeinsam über unser Zusammenleben ins Nachdenken und Sprechen kommen. Das macht es in diesem Moment auch so schwer für die Theatermacher*innen. Aber damit können wir punkten: mit Präsenz, Direktheit, Dialog im Raum und Physis. Wenn wir damit eine Alternative zur (auch, aber nicht nur digitalen) Realität anbieten können, haben wir viel gewonnen. Auch das eigene Sich-Ausprobieren der jungen Menschen, das an diesem neuen Ort eine große Rolle spielen soll, ist ein Geschenk ans junge Publikum. Es ist doch interessant festzustellen, dass die derzeitigen digitalen Ersatzhandlungen der Theater nicht annähernd die Kraft einer Präsensveranstaltung in sich bergen.
Aber jetzt wird ja alles anders und besser!
Foto (Baustelle Wiesendamm): Riccarda Russo