Das „Plattform Festival“ im Ernst Deutsch Theater erhält den Barbara Kisseler Theaterpreis

Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird seit 2017 in Andenken an die im Oktober 2016 verstorbene Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler jährlich verliehen und von der Hermann Reemtsma Stiftung gefördert. Mit dem Theaterpreis werden die Bedeutung und Qualität insbesondere der Privattheater und Freien Gruppen in Hamburg gewürdigt und zugleich besonders mutige künstlerische Produktionen ausgezeichnet. Weil die Preisverleihung letztes Jahr wegen der Pandemie ausfiel, erhielten plattform-Leiterin Mia Massmann und die Intendantin Isabelle Vértes- Schütter, szellveretenrd für alle Beteiligten, nachträglich den Preis.

Auf der Website der Hamburger Kulturbehörde heißt es dazu: „Die/der unbekannte Jurorin/Juror hat auch 2020 einen würdigen Preisträger gefunden: das seit 17 Jahren mit unermüdlichem Einsatz durchgeführte Plattformfestival, das auch ein Ergebnis der kontinuierlichen künstlerischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist. Ganz im Sinne der im Oktober 2016 verstorbenen Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler wird damit ein Privattheater gewürdigt, das ein großes und keineswegs selbstverständliches Engagement im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit aufbringt und dabei in jedem Jahr erneut mit einem auch künstlerisch bemerkenswerten Festival überzeugen kann.“ (https://www.hamburg.de/bkm/kulturpreise/11481566/barbara-kisseler-theaterpreis/)

Aus der Begründung des Jurors/der Jurorin: „Die Jugendsparte ‚plattform‘ des Ernst Deutsch Theaters gibt es seit 2003. Jugendliche sehen professionelles Theater, erfahren, wie es entsteht und erleben einen komplexen, professionellen Bühnenbetrieb. Das Wichtigste aber ist die Erfahrung, selbst auf der Bühne zu stehen. Unter Anleitung von Theaterprofis werden in verschiedenen Jugendclubs eigene Stücke erarbeitet, die dann beim jährlich stattfindenden ‚plattform‘ Festival auf der großen Bühne gezeigt werden. Sämtliche Bühnen (Haupt- und Studiobühne, Probebühne und plattform-Bühne) des Ernst Deutsch Theaters gehören in diesen Tagen den Jugendlichen. Und ihre Aufführungen zeigen dabei nicht nur eine große Vielfalt von Themen und Formen, sie präsentieren in hoher Qualität eine erstaunliche inhaltliche Tiefe, zeigen riesiges Engagement und theatrale Intelligenz. Das Festival ist ein Höhepunkt für die Jugendlichen, fester Bestandteil im Spielplan des Ernst Deutsch Theaters und ein Highlight der Theatersaison. Es hat den Barbara Kisseler Theaterpreis 2019/20 wahrlich verdient.“

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Die kluge Entscheidung des/der Jurors/Jurorin würdigt die engagierte Haltung und Verantwortung eines Theaters für zukünftige Generationen und für eine Kultur der Anerkennung. Ein Festival über so viele Jahre hinweg zu realisieren und dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche den Wert von Kultur für unsere Gesellschaft unmittelbar erfahren können, ist ein mit viel Anstrengung verbundenes Vorhaben. Ich danke Isabella Vértes-Schütter, dem Ernst Deutsch Theater und allen am Festival Beteiligten, dass sie ihre Arbeit jedes Jahr auf künstlerisch vielfältige Weise verbreiten und präsentieren und einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt von Hamburgs Theaterszene leisten.“

Henrike Reemtsma, Hermann Reemtsma Stiftung: „Das große Thema des plattform-Festivals im Februar 2020 war ‚Veränderung‘. Die Jugendlichen haben lange daran gearbeitet, alles gegeben und mit ihrer Leistung überzeugt. Wie relevant ihre im Ernst Deutsch Theater ausgehandelten Fragen wenige Wochen später für uns alle werden würden, hat wohl niemand geahnt.“

Die Redaktion führte anlässlich der Verleihung des Preises an das plattform-Festival ein Interview mit Mia Massmann, Theaterpädagogin und Festival-Leiterin, und Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters (EDT). TUSCH hat von Anfang an das Festival unterstützend begleitet.

Welche Bedeutung hat die Auszeichnung mit dem Barbara-Kisseler-Preis 2020 für das Ernst Deutsch Theater? Und welche für die Stadt Hamburg?

Die Auszeichnung des plattform-Festivals hat für unser Theater eine ganz besondere Bedeutung, weil wir uns seit über 20 Jahren dafür engagieren, die kreativen Potentiale junger Menschen zu fördern und sichtbar zu machen. Ein so wichtiger Preis ist für alle Beteiligten ein großes Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung. Der Preis macht deutlich, dass die Arbeit von und mit Jugendlichen künstlerisch wahrgenommen wird, auf Augenhöhe mit anderen Theaterprojekten. Der Barbara-Kisseler-Theaterpreis trägt die eigenwillige Handschrift seiner Namensgeberin, die Hamburg als Theaterstadt ganz besonders profiliert hat. Es tut gut, die Erinnerung an Barbara Kisseler und an ihr Wirken für Kunst und Kultur in unserer Stadt wach zu halten.

Welche Bedeutung hat die Unterstützung durch das TUSCH-Programm dabei?

TUSCH schafft eine Verbindung von Theater und Schule über einen kontinuierlichen Zeitraum und öffnet die Türen beider Institutionen. So können viele Schüler:innen an das Theater herangeführt werden und ihre Perspektiven in das Theater hineintragen. Dieser Austausch hat eine große Bedeutung für unsere Theaterarbeit und prägt unsere Projekte. Dabei geht es um einen frischen Wind und neue Ideen, die das Theaterschaffen bereichern. Das Programm ermöglicht außerdem Jugendlichen, mit dem Theater in Berührung zu kommen, die ohne TUSCH den Weg ins Theater vielleicht nie gefunden hätten. TUSCH bedeutet für uns ein lebendiges, kreatives Netzwerk mit einem großen Zusammenhalt.

Seit 2003 gibt es das plattform-Festival. Wieso ist es damals eigentlich vom Ernst Deutsch Theater ins Leben gerufen worden?

Das Ernst Deutsch Theater ist vor 70 Jahren als „Das Junge Theater“ gegründet worden, um dem Nachwuchs eine Bühne zu geben. Diesen Gründungsgedanken wollten wir neu beleben und haben uns gefragt, was in Hamburg fehlt. Damals gab es nur wenig Aufmerksamkeit für kulturelle Bildung und Teilhabe. Also haben wir uns gesagt, das packen wir an!

Was sind die Säulen des Festivals?

Die wichtigste Säule des Festivals ist die kontinuierliche Arbeit in unseren Jugendclubs. Wir haben 8 verschiedene Jugendclubs mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die von tollen Künstler:innen angeleitet werden. Die Jugendlichen mit ihrer Kreativität und ihren Ideen stehen bei unserer Arbeit immer im Fokus. Partizipation ist also eine weitere wichtige Säule des Festivals. Die Ergebnisse der verschiedenen Jugendclubs werden beim plattform-Festival präsentiert. Wir verstehen Theater als Beitrag zum demokratischen Diskurs, daher ist es uns wichtig, gesellschaftlich relevante Themen mit den Jugendlichen zu bearbeiten und ihre Perspektiven darauf sichtbar zu machen. Gemeinsam mit den Jugendlichen entscheiden wir uns für ein Festival-Thema. Eine weitere Säule ist unser Jugendgroßprojekt, mit dem wir 100 Jugendliche zusammen auf die Bühne bringen: unseren Jugendclub Schauspiel und fünf Projektgruppen aus fünf verschiedenen Schulen. So können wir unser Theater möglichst vielen Jugendlichen zugänglich machen, und hier spielt auch TUSCH wieder eine Rolle. Nicht zuletzt ist die Unterstützung all unserer Förder:innen eine wichtige Säule unseres Festivals.

Was hat sich im Lauf der nun fast 20 Jahre seit Bestehen des Festivals geändert?

2003 haben wir mit einem Jugendclub angefangen, heute sind es acht und wir haben in jeder Spielzeit 250 junge Menschen, die mit uns zusammenarbeiten. Inzwischen wird das gesamte Festivalprogramm von „unseren“ Jugendlichen gestaltet.

Welche Zukunftsperspektiven sind mit dem Festival verbunden?

Theaterarbeit stärkt junge Menschen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit, zugleich ist sie die sozialste künstlerische Arbeit, weil alle Beteiligten extrem aufeinander angewiesen sind. Wir wollen junge Menschen stark machen und sie ermutigen, Verantwortung zu übernehmen für ein friedliches und buntes Miteinander in unserer vielfältigen Stadtgesellschaft.

Fotos: Finn Westphal (Mia Massmann) / Ulrike Schmidt (Isabella Vértes-Schütter)